Hund in Angst? Hilfe gefragt!
Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig um Frederica Amici haben 2019 erstmals gezielt untersucht, wie gut Menschen die Gesichtsausdrücke von Hunden deuten können (mehr darüber können Sie zum Beispiel im Hunde-Wissenschafts-Blog von www.fluffology.de nachlesen). Dabei haben sie Erstaunliches herausgefunden: Während wir Menschen allesamt recht gut darin sind, freudige oder wütende Gesichtsausdrucke von Hunden zu deuten, schneiden selbst Menschen mit Hundeerfahrung tendenziell schlecht dabei ab, Angst beim Hund zu erkennen. Diese Ergebnisse stimmen mit früheren Studien überein, die ebenfalls darauf hingedeutet haben, dass Angstgefühle bei Hunden von uns Menschen besonders schwer zu lesen sind.
Dabei hat Angst beim Hund das gleiche körpersprachliche „Display“ wie bei uns Menschen und kann somit eigentlich gut erkannt werden!
Nachilfe: Das Gesicht der Angst
- große, weit aufgerissene Augen (die sogenannten „Walaugen“, man sieht viel Weiß), erhobene Augenbrauen
- Mundwinkel lang und nach hinten gezogen,
- beim Hund zusätzlich (das kann der Mensch nunmal nicht): Ohren nach hinten gelegt.
Das „Display“ der Angst ist gut erklärbar: Wer Angst hat, muss einerseits möglichst viel von der Umgebung wahrnehmen – er sperrt Nase und Augen auf, um viel zu riechen und zu sehen. Andererseits ist er bereit zur Flucht – weg von dem, was ihm Angst macht!
Der Rest des Körpers spricht die gleiche Sprache:
- geduckte, angespannte Körperhaltung, Schwerpunkt nach hinten verlagert
- angelegte Rutenwurzel
Während beim Hund links im Bild eher leichtes Unbehagen / leichte Besorgnis zu sehen ist, zeigt uns der Hund rechts im Bild, welches Gesicht die Angst auch haben kann: Er reagiert aggressiv – um das zu vertreiben, was ihm Angst macht!
Das Entscheidende: Angst beim Hund sieht nicht nur ähnlich aus wie Angst beim Menschen. Die Wissenschaft geht inzwischen davon aus, dass Menschen und nichtmenschliche Säugetiere Angst auch auf zumindest ähnliche oder vergleichbare Weise erleben! Wer selbst nachempfinden kann, wie furchtbar sich Angst anfühlt, weiß: Das ist richtig schlimm! Und jetzt kommt das, was unter Hundeleuten (als wir es noch nicht besser wussten) jahrelang verpönt war: An dieser Stelle dürfen wir tatsächlich „vermenschlichen“ und auf den Hund übertragen. Denn genau so schlimm wie wir fühlt sich auch ein Hund, wenn er Angst hat. Sprich: Wann immer wir sehen, dass unser Hund Angst hat, besteht Handlungsbedarf. Wir sollten ihm helfen – und das möglichst schnell:
- Nehmen Sie die Ängste und Sorgen Ihres Hundes ernst – selbst, wenn aus Ihrer Sicht überhaupt kein Grund dafür besteht, Angst zu haben („ein Flatterband am Wegesrand ist doch kein Grund, Angst zu haben“ oder „er ist doch hier bei uns in Sicherheit und muss sich nicht fürchten“). Verabschieden Sie sich von der Mentalität „da muss er durch“ oder „er wird schon lernen, dass das ungefährlich ist“. In vielen Fällen funktioniert das nicht – und im schlimmsten Fall verliert Ihr Hund sein Vertrauen in Sie als Bezugsperson.
- Wenn machbar, retten Sie Ihren Hund schnellstmöglich aus akuten Angstsituationen. Sie können anschließend in Ruhe überlegen, wie Sie ihm langfristig helfen können, besser damit klar zu kommen: zum Beispiel, in dem Sie eine gute Trainingsanleitung oder einen Experten / eine Expertin zu Rate ziehen und gezielt an den Angstauslösern arbeiten – und zwar immer in einer solchen Dosierung, dass der Hund mit dem Erfolg wachsen kann. Fördern statt Überfordern heißt hier die Devise!
- Es gibt tatsächlich einige Situationen, vor denen können Sie Ihren Hund leider nicht bewahren: zum Beispiel die alljährliche Silvesterknallerei (lesen Sie hierzu auch unsere speziellen Tipps gegen Silvesterstress), wenn plötzlich ein starkes Gewitter über Ihnen niedergeht oder wenn Ihr Hund notfallmäßig vom Tierarzt versorgt werden muss – noch ehe Sie daran trainieren konnten. Versuchen Sie, solche Situationen so erträglich wie möglich zu gestalten. Und vor allem: Seien Sie für Ihren Hund da! Schauen Sie, was ihm guttut und bieten Sie ihm Schutz. Entgegen anders lautender Gerüchte: Solange Sie selbst cool und gelassen dabei bleiben, dürfen Sie Ihren Hund selbstverständlich trösten, wenn er Ihre Nähe sucht!!! Und wenn er in den beängstigenden Situationen noch Appetit auf Futter hat (Fleischwurst und Leberwurst wirken oft Wunder): perfekt, dann geizen Sie nicht damit!
Trösten und Füttern ausdrücklich erlaubt
- Machen Sie Ihren Hund – losgelöst vom eigentlichen Problem – generell optimistischer und mutiger. Sorgen Sie dafür, dass er sich in möglichst vielen Situationen gut fühlt und positive Emotionen erlebt. Stellen Sie ihm spielerische kleine Herausforderungen (zum Beispiel: Futter aus einem Karton herausarbeiten oder unter einem Becher verstecken), die immer gelingen und an denen er wachsen kann. Geben Sie ihm viel Zeit, Neues zu erkunden. Solche Ansätze bezeichnet man auch als „Positive Psychologie“ und als „Empowerment“. Wenn Sie darüber mehr wissen wollen, interessiert Sie vielleicht unser Buch zum Thema oder oder unser Positive-Psychologie-Webinar für dog-ibox. Und wenn Sie gerne praktisch mit einem Optimisten- und Mutmachtraining loslegen möchten: Dann macht Ihnen vielleicht unser Online-Live-Mutmachspiele-Kurs Freude!
- Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Hund einen Großteil seines Tages in Angst verbringt (zum Beispiel, weil Sie ihn gerade erst aus dem Tierschutz übernommen haben): Tun Sie zunächst alles, was er braucht, um sich bei Ihnen zuhause so sicher wie möglich zu führen – und versuchen Sie zu vermeiden, was ihn ängstigt. Organisieren Sie dann Hilfe. Als erste Hilfe und Wegweiser, in welche Richtung jegliche Unterstützung gehen sollte, kann Ihnen untenstehendes Buch dienen. Außerdem empfehlen wir Ihnen unbedingt das Webinar „Extreme Ängste beim Hund“ mit der verhaltenskundlichen Tierärztin Maria Hense bei dog-ibox.
Angsthunde
Definition – Diagnostik – Management – Trainingsansätze
Bettina Specht
animal learn Verlag
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