Kathys Buch unterscheidet sich von allen anderen Büchern, die ich je zum Thema Tiertraining gelesen habe. Es ist ein philosophisches Werk, eine Autobiographie und ein praktischer Trainingsratgeber in einem. Kathy setzt sich mit überzeugenden Argumenten für Empathie im Training ein und macht deutlich, warum viele gängige Trainingsansätze überdacht und geändert werden sollten. Sie ist schonungslos ehrlich, immer gerecht, denkt praktisch und regt zum Nachdenken an – manchmal über Dinge, die wir lieber nicht hinterfragt hätten. Jeder Hundehalter und Trainer sollte dieses Buch lesen. Würde ich versuchen, all das wiederzugeben, was ich aus Kathys fesselndem Büchlein für mich mitgenommen habe, müsste ich das ganze Werk nacherzählen!.- Ken Ramirez, stellvertretender Leiter des Shedd Aquarium in Chicago, Autor von Animal Training: Successful Animal Management through Positive Reinforcement, im Vorspann zum Buch
…oder einfach so!
Warum Hunde sich nicht alles verdienen müssen
Kathy Sdao
Kynos Verlag
Paperback, 140 Seiten, schwarz-weiß
14,95 €
Die US-amerikanische Verhaltenswissenschaftlerin Kathy Sdao ist seit sechsundzwanzig Jahren hauptberuflich als Tiertrainerin tätig. Im Zuge ihres Masterstudiums in experimenteller Psychologie arbeitete sie mit Delfinen am Meeressäugerlabor der University of Hawaii im Kewalo Basin. Später trainierte sie Delfine für das US-amerikanische Verteidigungsministerium (u.a. zur Entschärfung von Unterwasserminen) und Wale und Walrosse am Point Defiance Zoo & Aquarium in Tacoma, Washington. Seit 1998 ist Kathy Sdao Eigentümerin und Leiterin von Bright Spot Dog Training, einer Hundeschule, deren Schwerpunkt in der Verhaltensmodifikation für Familienhunde liegt.
In seiner oben zitierten Kurz-Rezension bringt es Ken Ramirez auf den Punkt: Ihr Buch bringt Philosophie und pragmatisches Trainingshandwerk (und dazu auch noch ein wenig Autobiographie eines spannenden Trainerinnenlebens) zusammen. In aller Kürze der rote Faden:
- Der Ausgangspunkt ist die Feststellung: Während wir Menschen (gerade auch vor spirituellem bzw. religiösem Hintergrund) angehalten werden, unsere Mitmenschen zu lieben, müssen Hunde sich in vielen Trainingskonzepten jede Zuwendung erst erarbeiten. Sei es in Form traditioneller Rangreduktionsprogramme oder nach einem auch in der positiven Szene weit verbreiteten NILIF-Programm (Nothing in Life is Free / es gibt nichts umsonst), einhergehend mit einem ständigen Kontrollieren des Tieres.
- Was ist die Alternative? Die Hunde lehren, sich in der Welt zurechtzufinden und durch ihr Verhalten Belohnung hervorzurufen und dabei gleichzeitig eine tiefe Verbundenheit zum Menschen aufzubauen, das sollte stattdessen der Ansatz sein. Der wird dann auch richtig handfest: Analog zum einprägsamen Ratschlag aus dem Humanbereich, den jeder kennt „täglich 10.000 Schritte gehen“, bringt Kathy Sdao es mit „SMART 50“ auf den Punkt: Jeden Tag mindestens 50 Mal erwünschtes Verhalten Sehen, MArkieren (mit einem Markerwort oder Clicker) und Reich belohnen im Training“. Gleichzeitig fordert sie uns Hundeleute auf, zu „Verhaltensarchitekten“ zu werden. Durch „intelligentes Umgebungsdesign“ (allein diese Begrifflichkeiten machen schon Spaß!) sorgt der Mensch dafür, dass unerwünschtes Verhalten weniger gezeigt wird (ein Beispiel von vielen: Jalousie runterziehen oder anderer Sichtschutz, wenn der Hund in Abwesenheit des Besitzers am Fenster bellt). Mit „SMART 50“ und den „Verhaltensarchitekten“ schafft Katy Sdao bewusst eingängige „Kühlschrankmagneten-Versionen“ des eher sperrig daher kommenden „Verstärke erwünschtes Verhalten und verhindere die Verstärkung von unerwünschtem Verhalten“, welches das gleiche meint. Das Buch enthält viele konkrete Vorschläge zur praktischen Umsetzung dieses Prinzips.
- Und was passiert dabei? Zum einen gehen aus dieser Vorgehensweise Hunde hervor, die „automatisch artig“ sind – und nicht nur dann, wenn sie ein spezielles „Kommando“ vom Menschen dazu erhalten haben. Noch viel gewichtiger ist jedoch, was Kathy Sdao als einen „Austausch von Verstärkern“ bezeichnet: Das Tier macht mit seinem Verhalten dem Trainer eine Freude, woraufhin der Trainer mit seinem Verhalten dem Tier eine Freude bereitet. Die Folge: Es entsteht eine kooperative Partnerschaft. Die Belohnungen fließen in beide Richtungen und die Partner wechseln sich darin ab, etwas zu tun, was dem jeweils anderen gefällt. Es entsteht ein „freies Geben und Nehmen, in dem Kommunikation keine Einbahnstraße ist und aus dem alle Beteiligten unermessliche Freude schöpfen können“. Bereits aus der Humanpsychologie wissen wir, dass sich genau daraus erfolgversprechende, dauerhafte und glückliche Beziehungen ableiten.
Ich bin nicht vollkommen naiv. Ich weiß, dass Verhaltensprobleme komplex und es schwierig sein kann, das Verhalten eines Hundes zu ändern. Das heißt jedoch nicht, dass Trainer oder Halter ihrerseits dem Hund das Leben schwer machen müssten. Unsere Hunde haben eine ganz besondere Fähigkeit: Sie können unsere Herzen zum Schmelzen bringen, ganz gleich, wie verhärtet oder steinern diese auch sind. Wir können ihnen die Möglichkeit geben, uns diesen besten aller Tricks zu zeigen, ohne auf unsere Trainingsziele zu verzichten. Dies ebnet den Weg für weitreichende Verhaltenswandlungen in beiden: Der Hund lernt, sich im Alltag zivilisierter zu verhalten, und der Mensch lernt, Mitgefühl und Empathie zu zeigen.- Kathy Sdao in ihrem Buch '...oder einfach so!'
Diese Buch ist eine Inspiration, philosophisch und handfest in einem! Es enthält viel mehr, als der Titel und die Beschreibung auf dem Buchrücken erahnen lassen und ist voll von Aha-Effekten. Gefühlt kommt es zwar etwas langsam in Gang, nimmt in der zweiten Hälfte dann aber richtig Fahrt auf. Der lebendige Schreibstil sorgt durchaus für den einen oder anderen Gänsehaut-Moment. Dass das Buch als reiner Text fast ohne Abbildungen daher kommt, schmälert das Lesevergnügen nicht. Eine unbedingte Lese-Empfehlung für alle Hunde(trainings)interessierten.